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Rettet die Hebammen – ein Plädoyer

Es mangelt an Hebammen
Gestern hatten wir Besuch von unserer Hebamme, um über die Beikost-Einführung zu sprechen. Es war das vorletzte Mal und ich muss zugeben, dass es mich ein wenig wehmütig gestimmt hat.
Unsere Hebamme hat sich bei uns um die Nachsorge gekümmert. Ich hätte gerne das ganze Paket gehabt, also Vorsorge, Nachsorge und das am besten mit einer Beleghebamme – aber seien wir ehrlich: hier im Kölner Umland ist das so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Wer eine Rundumbetreuung möchte, hat zumindest in größeren Städten und Ballungsgebieten sehr schlechte Karten. Selbst wenn direkt nach der Empfängnis sämtliche Listen durchtelefoniert werden, gehen einige leer aus. Der Grund: es gibt immer weniger Hebammen und noch weniger davon begleiten Geburten. Die Nachfrage hingegen bleibt hoch und schon entsteht hier ein Ungleichgewicht – zu Lasten der Mütter.

Warum wir Hebammen so dringend brauchen

Unsere Hebamme heißt Verena und macht ihren Job mit Leib und Seele. Sie ist für uns eine Mischung aus Seelsorger, Gesprächspartner, Arzt und Psychologe und ist immer erreichbar, wenn Not am Mann ist. Seit nun 6 Monaten kommt sie zur Nachsorge bei uns vorbei und muss ab und an auch mal via WhatsApp ran, wenn das Bubele wieder mal einen für uns unerklärlichen Ausschlag hat. Wir hatten das Glück, schon vor der Geburt die ersten Termine wahrnehmen zu können und so begleitete sie uns in den letzten aufregenden Wochen der Schwangerschaft über die Geburt bis heute und war immer da, wenn wir nicht mehr ein noch aus wussten. Am Tag von Joschis Geburt kam sie morgens noch vorbei, hat uns untersucht und für eine große Portion Entspannung und Ruhe gesorgt. Sie nimmt sich jedes Mal viel Zeit und hat immer den ein oder anderen hilfreichen Geheimtipp an der Hand. Wir hatten immer das Gefühl, einen kompetenten und offenen Ansprechpartner zu haben – für uns war sie somit wichtiger als alle Ärzte zusammen.
Auch sie hat früher Geburten begleitet, sich nun aber unter anderem aufgrund der aktuellen Lage dagegen entschieden.

Was aber machen Hebammen nun genau?
Grob gesagt umfasst die Tätigkeit der Hebamme die Betreuung und Beratung von Müttern aber auch Eltern insgesamt in den Bereichen Schwangerschaftsverlauf, Geburtshilfe, die Zeit des Wochenbetts, Stillen, Füttern und Beikost.
Die Hebammen kommen zu uns nachhause und führen die Vorsorgeuntersuchungen durch (ohne Ultraschall), sie beraten uns individuell zu Geburt und Schwangerschaft, sind gegebenenfalls bei der Geburt mit dabei (Beleghebammen in der Klinik oder bei Hausgeburten) und unterstützen uns dabei  physisch und vor allem mental.
Nach der Geburt statten sie uns zunächst täglich einen Besuch ab und kümmern sich dabei um Mutter und Neugeborenes. Während bei der Mama besonderer Augenmerk auf den Wochenfluss, die Rückbildung, das Stillen und die psychologische Entwicklung gelegt wird, stehen beim Baby die körperliche Entwicklung, die Nabelpflege und das Essverhalten im Vordergrund. Die Besuche erfolgen meist über die kommenden Monate hinweg bis zu der Zeit, in der die Beikost eingeführt wird.

Neben all diesen Dingen unterstützen Hebammen auch bei den alltäglichen Dingen und helfen, erste Hemmschwellen abzubauen. Ich kann mich noch gut an die ersten Stunden auf Station erinnern – ich saß da mitten in der Nacht alleine mit meinem wenige Stunden alten Baby und wusste gar nicht, was ich nun tun sollte mit dem süßen kleinen Bündel in meinem Arm. Die Klinik-Hebamme erklärte mir, dass ich ihn jetzt erst mal anziehen sollte, was bei mir nur zu einem gestammelten „Ich alleine?!?!?!“ geführt hat. Das mag albern klingen, aber ich hatte bis dato wirklich überhaupt keine Berührungspunkte mit Babies und so überkam mich eine konsequente Hilflosigkeit. Die ersten Tage zuhause waren geprägt von eben dieser sowie von der Angst etwas falsch zu machen.

Verena war uns hier eine große Hilfe. Sie zeigte uns die üblichen Kniffe und konnte wirklich jede Frage beantworten. So badeten wir das Bubele das erste Mal gemeinsam, erlernten die erste Bauchmassage und bekamen Unterstützung beim Stillen. Sie ersparte mir so manchen Trip zum Frauenarzt in der Kölner Innenstadt und untersuchte mich direkt zuhause. Ebenfalls übernahm sie das Wiegen und Vermessen meines Babies.

Berufsbild Hebamme: miserable Bezahlung, exorbitante Versicherungsbeträge

Leider wird der Beruf der Hebamme immer unattraktiver, bzw. die Umsetzung gestaltet sich immer schwieriger. Zwischen 2002 und 2015 haben sich die Haftpflichtversicherungsprämien mehr als verzehnfacht. Eine freiberufliche Hebamme, die Geburtshilfe anbietet, legt nun stolze 6000 Euronen auf den Tisch – nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung!* Daraus folgt, dass immer weniger Hebammen auch die tatsächliche Geburt begleiten können – sie können solche Beträge schlicht nicht aufbringen. Die Prämien sind insgesamt deutlich angestiegen, so dass auch Vorsorge und Nachsorge durch eine Hebamme nicht mehr voll gewährleistet werden kann.

Was können wir tun?
Hebammen brauchen die Unterstützung von all den Mamas, Papas, Omas und Opas da draußen. Sie selbst sind eine kleine Gruppe, gemeinsam aber mit den unmittelbar Leidtragenden, nämlich wir Frauen und unsere Familien, haben wir eine starke Stimme. Wir Frauen haben ein Recht auf eine umfassende Betreuung und sollten das auch so einfordern.
Der deutsche Hebammenbund hat hierzu eine Infoseite ins Leben gerufen und dabei die Aktion „Unsere Hebammen“ gestartet. Hier können Fürsprecher unter anderem Bilder von sich hochladen und erläutern, weshalb sie Hebammen unterstützen möchten. Der Beitrag wird anschließend veröffentlicht. Außerdem werden persönliche Geschichten zum Thema Hausgeburten gesammelt.

Es ist nun an uns zu handeln und die Hebammen zu unterstützen. Ich möchte an dieser Stelle auf jeden Fall noch mal ein großes Dankeschön an meine Hebamme Verena richten. Sie ist ein echter Goldschatz und hilft hoffentlich noch vielen Mamas und Babies durch die ersten aufregenden Wochen.

Alles Liebe!


Weitere aktuelle Kampagnen:
#meineGeburtmeineEntscheidung
http://www.gerechte-geburt.de/lösungen/petitionen/

*Quelle: Deutscher Hebammenbund

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