Habt ihr euch während eurer ersten Schwangerschaft auch auf jeden Geburtsbericht im WWW gestürzt? Dann herzlich Willkommen, wir sind Schwestern im Geiste. Je näher der Geburtstermin heranrückte, desto mehr verschlang ich sämtliche Berichte über Geburten. Nach wenigen Wochen wusste ich: ich werde mindestens Verletzungen 3. Grades davontragen, vermutlich in einer Not-OP landen, jemand wird mir eine Kanüle in die Halsschlagader jagen und on top werde ich beinahe verbluten …so oder so ähnlich zumindest.
Die Berichte übertrumpften sich regelrecht in detailgetreuen Grausamkeiten und meine Angst vor Tag X wuchs und wuchs und wuchs. Wie kann man so was Irres wie eine Geburt überhaupt durchziehen habe ich mich gefragt, ich muss völlig verrückt sein!
Ich muss da mal was loswerden
Irgendwann habe ich mich schließlich gefragt, weshalb im Web nur oder zumindest hauptsächlich Horrorgeschichten zu finden sind. Nur sehr sehr selten ist mir mal ein halbwegs positiver Geburtsbericht begegnet. Andererseits stellte sich mir die Frage, wer nach einer Geburt noch Redebedarf hat. Läuft alles glatt, ist die Sache doch eigentlich gegessen und man konzentriert sich aufs Mutter sein. Läuft allerdings nicht alles glatt, muss man das Erlebte verarbeiten und was hilft hierbei besser als über die Sache zu sprechen? So lautet zumindest meine Theorie – die ganzen happy Mamas haben zu dem Thema einfach nichts mehr zu sagen und so werden Diskussionen in Foren aber auch Gespräche mit Familie und Freunden schnell mal zu deren Therapiestunde. Das ist natürlich legitim und nachvollziehbar, nur leider nicht gerade hilfreich für Bald-Mamas ohne eigene Erfahrung.
Wir versuchen uns an Hypnobirthing

Ich bastele meinen Wunschkreissaal 🙂
Irgendwann wusste ich, dass ich so unmöglich in meine eigene Entbindung gehen kann. Also habe ich mich mit den wenigen positiven Geburtsberichten beschäftigt und den gemeinsamen Nenner gesucht. Neben einer Portion Glück (die Natur ist halt launisch) haben viele über Hypnobirthing gesprochen. Ich hatte davon zwar schon gehört (Kate und William sei Dank), aber mich nie genauer damit auseinandergesetzt.
Nachdem ich mich schließlich eingelesen hatte wusste ich, dass ich das versuchen möchte. In Köln habe ich daher einen Kurs besucht und dort einiges über meinen Körper im Zusammenspiel mit meinem Geist erfahren. Chris war ebenfalls mit von Partie und seine Begeisterung hielt sich ehrlich gesagt in Grenzen. Für ihn war die Sache gegessen, als wir unseren Traumkreissaal basteln sollten :). Ich bin normalerweise auch kein Esoteriker, aber dieser Kurs hat bei mir wahre Wunder gewirkt, kein Witz. Mit voller Inbrunst habe ich meinen Kreissaal gebastelt, mich mit dem Zusammenspiel von Gehirn und Muskulatur beschäftigt (self-fulfilling prophecy und so) und meinen Geist bzw. meine Muskeln drauf trainiert, im jeweils richtigen Moment zu entspannen oder anzuspannen. Ich werde bald auch einen ausführlichen Bericht zu meinen Erfahrungen mit Hypnobirthing schreiben und hier verlinken.
Dem Wunsch nach einer natürlichen Geburt nachgehend habe ich mich auch für ein Krankenhaus entschlossen, das seinen Fokus ebenfalls auf so wenig wie möglich Interventionen legt. Keine Kanülen, keine Medis ohne reale Notwendigkeit – nur Janosch, die Natur und ich.
Es geht los und zwar zackig – mein schöner Geburtsbericht
So gestärkt habe ich also bis zum 8. Tag nach dem errechneten Termin warten müssen, bis unser Bubele endlich zur Welt kommen wollte.
06:00 Die Fruchtblase platzt!
Gegen 6 Uhr morgens wache ich plötzlich auf und bemerke, dass ich Wasser verliere und in einem nassen Bett liege. Mir ist sofort klar, dass es sich dabei um Fruchtwasser handelt. Für sonstige mögliche Unfälle ist es einfach zu viel und zu schwallartig. Das Ganze erinnert mich irgendwie an ein übervolles Glas, das bei jeder Bewegung überschwappt. Dank meiner Hebamme und des absolvierten Kurses bleibe ich recht entspannt und wecke erstmal Chris. Die freudige Nachricht möchte ich dann doch schnell loswerden :). Ich teile Chris also mit, dass wir noch an diesem Tag zu Dritt sein werden. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt schon wieder hingelegt, Chris hingegen ist nach dieser Nachricht in einer Art Dämmerzustand. Zunächst bleibt er für kurze Zeit liegen und murmelt ein Ok, dann wird ihm bewusst was das bedeutet und er springt plötzlich aus dem Bett und tigert etwas wirr durch die Wohnung :). Ich sage ihm, dass wir uns ruhig noch mal hinlegen können, da ich noch keine Wehen habe, aber an Schlaf ist nicht mehr wirklich zu denken. Wir stehen also zeitig auf, frühstücken eine Kleinigkeit und ich lege mich dann auf die Couch, da nach wie vor Fruchtwasser abgeht.
10:00 Unsere Hebamme kommt
Gegen 10 kommt unsere Hebamme Verena vorbei und untersucht mich und den kleinen Janosch. Wir schauen uns zusammen das CTG an, hören seine Herztöne und stellen fest, dass mein Muttermund schon etwa 2cm geöffnet ist. Ich habe bisher keine spürbaren Wehen, Janosch geht es bestens und es geht nach wie vor immer wieder mal Fruchtwasser ab. Daher beschließe ich, noch nicht ins Krankenhaus zu fahren und Janosch noch etwas Zeit zu lassen. Eine Einleitung möchte ich gerne vermeiden.
12:30 Erste Wehen machen sich bemerkbar
Kaum ist Verena wieder gegangen, spüre ich plötzlich ein starkes Ziehen im Unterbauch. Es fühlt sich an als hätte ich mir den Magen verdorben. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Wehen hatte und daher überhaupt nicht einschätzen kann, wie sich Wehen einstufen lassen, mache ich mir zunächst keine Gedanken.
Etwa eine halbe Stunde spüre ich nichts, bis die nächste Wehe kommt. Gute 10 Minuten später kommt dann wieder eine kräftige Wehe und trifft mich auf dem Weg zur Toilette. Sie ist so stark und wuchtig, dass ich mich kurz auf den Boden vor die Kloschüssel setzen muss. Ich nehme das Ganze noch locker, da sich gerade erste Geburten ja angeblich sehr lange hinziehen (können).
Geplant ist, gegen 3 langsam mal Richtung Krankenhaus aufzubrechen, um sich zumindest kurz untersuchen zu lassen.
14:30 Wehen und ab ins Krankenhaus
Wir werden skeptisch, als die folgende Wehe keine 4 Minuten später kommt und wieder sehr kräftig ist, dabei ist es gerade mal die 4. oder 5. Wehe insgesamt. Zur nächsten Wehe sind es dann weniger als 4 Minuten und wir beschließen, doch einen Zahn zuzulegen und ins Auto zu steigen.
Zu diesem Zeitpunkt sind die Wehen stark, aber problemlos erträglich, eben wie ein richtig fies verdorbener Magen, nur eben intervallweise :). Trotzdem denke ich, dass ich noch jede Menge Zeit habe, immerhin habe ich erst etwa seit 2 Stunden Wehen. Ich stelle mich also auf einen langen Tag, bzw. Nacht ein. Medikamente wollte ich nur im äußersten Notfall einnehmen und mein Ziel war es, ohne PDA oder sonstige Betäubung zu entbinden.
15: 00 – 15:45 Janosch und ich kommen an den Wehenschreiber
Im Krankenhaus angekommen bekomme ich erstmal einen Rüffel von der leitenden Hebamme, weil ich erst jetzt komme. Anschließend werden das Bubele und ich in einer Art Aufenthaltsraum vor dem Kreissaal an den Wehenschreiber angeschlossen. Eine weitere Frau sitzt mit uns im Zimmer und wartet auf ihre Akupunktur. Wir hören eine Frau laut schreien und mir wird doch etwas mulmig. In dem Moment frage ich mich, warum Kreissäle eigentlich keine ordentliche Lärmdämmung besitzen.
Die noch recht jung wirkende Hebamme sagt uns, dass wir nun 20 Minuten hier liegen müssen. Jedoch werden die Wehen immer stärker und die Hebamme will und will nicht zurück kommen. Eine Wehe ist so intensiv, dass ich einfach nicht mehr liegen kann und aufstehe – mitsamt den Kabeln um den Bauch. Im Liegen sind die Wehen einfach nicht erträglich für mich und ich kann meine Atemübungen nicht machen, um mich zu entspannen. Ich wälze mich also wie ein Wal von der Liege und tingele durch den Raum. Chris hüpft auf den Flur, um die Hebamme zu suchen.

Der stolze Papa 🙂
15:45 Zweite Untersuchung und ab in den Kreissaal
Chris kommt schließlich mit der jungen Hebamme zurück und sie wirkt verwundert, dass der Wehenschreiber schon so ausschlägt. Das Bubele und ich kommen sofort in den Kreissaal und wir werden noch mal untersucht. Der Muttermund ist zu diesem Zeitpunkt schon bei 6 cm und die Wehen kommen jetzt in kurzen Abständen. Mir kommen sie vor wie eine Urgewalt, die durch meinen Körper fährt. Es tut schon weh, aber bei weitem nicht so wie erwartet. Vielmehr kämpfe ich mit der Erfahrung, die Kontrolle über meinen Körper ein großes Stück weit abgeben zu müssen. Im Raum ist es recht kühl (zumindest kommt es mir Frostbeule so vor) und ich trage nur noch Oberbekleidung. Leider macht auch mein Magen nicht mehr mit und ich muss ein paar Mal die Nierenschale bemühen (unglaublich, was Wehen mit einem machen 🙂 ).
Ich konzentriere mich bei jeder Wehe nun intensiv auf meine Übungen und kann richtiggehend spüren, wie sich meine Gebärmutter öffnet. Es ist als ob jemand ein großes grollendes Tor in mir verschiebt.
17:30 Presswehen
Plötzlich verändern sich die Wehen. Ich spüre einen unglaublichen Druck nach unten, dem ich nichts entgegensetzen kann. Ich gebe der Hebamme Bescheid und werde sofort wieder untersucht. Plötzlich bricht Hektik aus, auf Anweisung der Hebamme wird sofort Wasser in die Wanne gelassen (ich wollte eine Wassergeburt). Mein Muttermund ist auf 10cm offen und ich habe Presswehen.
Die überstürzte Situation überfordert mich nun doch etwas. Gerade waren wir noch zuhause und nun kommt schon das Baby? Es sind doch gerade mal 2,5 Stunden vergangen?!?!
18:30 Janosch kommt auf die Welt!

beide von der Geburt gezeichnet :O
In der Wanne fühle ich mich schlagartig besser. Die Wehen sind viel besser auszuhalten und das warme Wasser entspannt mich in den Pausen. Knapp eine Stunde bin ich in der Wanne. Es ist anstrengend, aber nach wie vor gut zu meistern. Irgendwann sagt mir eine der Hebammen, dass sie schwarze Haare sehen kann. Sie unterstützt mich noch mal bei den folgenden Wehen und auch als ich denke ich schaffe es nicht (die Schultern müssen halt auch durch) sind sie eine wichtige Stütze.
Und plötzlich zieht sie ihn aus dem Wasser, meinen kleinen Sohn. Ein unglaubliches Glück, aber auch eine mir bisher unbekannte Erschöpfung machen sich breit.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich die Entbindung nie als qualvoll oder unerträglich schmerzhaft empfunden habe. Es hat natürlich schon weh getan, Hypnobirthing hin oder her. Hauptsächlich aber war es einfach sehr sehr anstrengend. Müsste ich an dieser Stelle beschreibende Adjektive finden, würde ich die Geburt mit Worten wie kraftvoll, umwerfend und einschneidend beschreiben. Denn genau das war sie, ein Erlebnis wie eine Urgewalt, wunderschön und beeindruckend und eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und jederzeit wiederholen würde.
Das klingt noch doch etwas esoterisch, gebe ich ja zu :). Vermutlich kann man sich auf das Konzept Hypnobirthing auch nur einlassen, wenn man ein klein wenig Esoterik zulässt. Für mich war es auf jeden Fall genau das Richtige und ich bin überzeugt, dass der entspannte Ablauf der Geburt auch auf die Übungen zurückzuführen ist.
Wie auch immer, primär wollte ich mit diesem Geburtsbericht allen Bald-Mamas da draußen einfach nur sagen, dass eine Entbindung nicht automatisch in einer Katastrophe endet. Mit etwas Glück kann sie richtig schön sein. Ich würde auf jeden Fall lieber noch zig Mal entbinden als noch einmal eine Wurzelbehandlung bekommen – die war nämlich tausend Mal schlimmer.
Alles Liebe!